Soli-Konzert


aktuell  aktuell  solizweck  presse  kontakt




"Der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustande wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustande kommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Pass niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird."
Bertold Brecht (Flüchtlingsgespräche 1948)


Geduldet?

Über 350.000 Menschen leben in der BRD mit dem Status der Duldung oder etwas ähnlich Schlechtem. Eine Duldung bedeutet "Aussetzung der Abschiebung" und gültig ist sie jeweils einige Woche bis wenige Monate. Duldung bedeutet keine Arbeit, keine Ausbildung, oftmals Unterbringungen in Heimen und Lagern sowie gekürzte Sozialleistungen. Zehntausende Menschen leben seit Jahren, seit ihrer Geburt mit diesem Un-Status. Doch ihre Geduld hat ein Ende:

Papiere für alle!

In den letzten Jahren haben sich ungezählte lokale Initiativen von "geduldeten" und solidarischen Menschen gemeinsam gegen Abschiebungen und die Prekarisierung der Lebensverhältnisse gewehrt. Oft mit Erfolg: Gelingt es, dies alltägliche Unrecht ans Licht zu zerren, die Banalität des staatlichen Rassismus sozusagen öffentlich sichtbar zu machen und sich kollektiv ihr entgegen zu stellen, dann kann die praktische Solidarität ungeahnte "Ermessensspielräume" bei Behörden und Politik eröffnen. Doch oft scheitern die Initiativen auch an der Verbissenheit der Abschiebemaschinerie und dem breiten gesellschaftlichen Rassismus von dem sie getragen wird. Wie vor genau einem Jahr, als Ahmed Saado von der Ausländerbehörde des Landkreis Göttingen in die Türkei abgeschoben wurde. Hunderte solidarische Menschen hatten sich über Monate mit vielfältigen Initiativen gegen die Abschiebung gestellt. Dennoch wurde Ahmed unter brutaler Behandlung und gegen seinen eigenen Widerstand abgeschoben. Doch alle diese Kämpfe haben zu dem geführt, was heute auf der Agenda steht: Die Forderung nach einem Bleiberecht hat Eingang gefunden in die Gefilde der Realpolitik. Doch was kommt da raus, wenn sich die Minister wie Beckstein (CSU) und Schünemann (CDU) Gedanken um eine Bleiberechtsregelung machen müssen?

jamei, soa mist!

Die Bleiberechts-Diskussion ist auf die Innenministerkonferenz (IMK) am 15./16. November in Nürnberg gerichtet. Dort wird aller Voraussicht nach eine Regelung beschlossen werden. Doch je näher der Termin rückt, desto enger werden die Vorschläge gefasst: Wer keine Arbeit hat, fliegt raus. Straftaten gehen gar nicht. Die Deutschkenntnisse müssen besser sein, als die Becksteins und bestimmte Gruppen werden schon pauschal ausgeschlossen, z.b. irakische Flüchtlinge. Eine Einigung der Ministerrunde ist bis jetzt noch nicht in Sicht. Derweil nimmt der Protest gegen die Illegalisierungspolitik stetig zu: Nach dem Aktionstag am 22.4.06, an dem in mehreren Städten auf Demonstrationen "Papiere für alle" und ein bedingungsloses Bleiberecht gefordert wurden, beteiligen sich am 7.10. über hundert Gruppen und Initiativen in zwanzig europäischen und afrikanischen Ländern am transnationalen Aktionstag für weltweite Bewegungsfreiheit und Legalisierung! Hintergrund für den gemeinsamen Tag: der andauernde Abbau der Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen innerhalb der EU und der Ausbau der Festung Europa. Die militärische Abschottung der EU gegen MigrantInnen hat in diesem Jahr schon tausenden Menschen das Leben gekostet. Der Widerstand und Protest dagegen über die Grenzen der Länder und Kontinente hinweg wird in wenigen Monaten erneut manifest werden können: Kurz vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm planen antirassistische Netzwerke eine Demonstration für weltweite Bewegungsfreiheit und offene Grenzen. In der BRD steht als Nächstes die IMK in Nürnberg an. Neben einer Gegenkonferenz ist eine bundesweite Demo am 16.11. für ein bedingungsloses Bleiberecht vorgesehen.

La révolte continue...?

Wir wollen mit dem Festival "Papiere für alle!" die Bleiberechtskämpfe hier in der Region unterstützen. Die Kämpfe der libanesischen Bürgerkriegsflüchtlinge in Northeim oder der Roma und Ashkali aus dem Kosovo haben zwar viele Abschiebungen verhindern können, aber die ausgrenzende Praxis der Ketten-Duldung über Jahre und der Leistungskürzungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist noch lange nicht abgeschafft! Was können wir aus den Erfahrungen migrantischer Kämpfe in anderen Ländern lernen? Da Frankreich bekanntlich ein heißes Pflaster sozialer Kämpfe ist, wollen wir mit der Veranstaltung am Freitag (10. November 06) ein multimediales Schlaglicht auf die aktuellen Bewegungen der Sans Papiers (der Papierlosen) in Frankreich und die Entwicklungen seit den militanten Aufständen in den Banlieues (den Vorstädten) französischer Großstädte werfen. Nach den wochenlangen Riots in den Vorstädten vor einem Jahr haben sich in Frankreich in der Folge verschiedene Bewegungen gegen die großangelegten Abschiebepläne der Regierung gebildet.

Bleiberecht jetzt! Papiere für alle!
Demo in Nürnberg zur IMK am 16.11.06, Beginn um 16.30

Wahrscheinlich gibt es einen Bus aus Göttingen.
Achtet auf Ankündigungen bei http://papiere-fuer-alle.org






Veranstaltung | Freitag 10.11. | 20 Uhr | T-Keller, Geismar Landstr. 19

La Révolte continue...?
Streifzug durch die sozialen Kämpfe in Frankreich: Banlieues - sans papiers - génération précaire

Vor einem Jahr kam es im Großraum Paris wie auch in anderen französischen Vorstädten zu militanten Aufständen, die primär (wenn auch nicht ausschließlich) von "migrantischen" Jugendlichen getragen wurden. Auslöser war der Tod von zwei Jugendlichen in einem Pariser Vorort. Sie hatten in einem Umspannhäuschen Zuflucht genommen, um sich den Schikanen einer Sondereinheit der Polizei zu entziehen und starben dort an einem Stromschlag. Der französische Staat antwortete auf die Auseinandersetzungen u.a. mit der Ausrufung des Notstandes und fast 5000 Festnahmen.
Ein Jahr danach wurde in dem betreffenden Vorort der beiden Toten mit einem Schweigemarsch gedacht. Auf diesem Marsch trugen einige Jugendliche T-Shirts mit der Aufschrift "Sinnlos gestorben".
Welche unterschiedlichen Menschen trugen die damaligen Aufstände? Was waren ihre Beweggründe, was ihre Ziele? Was haben sie erreicht bzw. sich seitdem geändert? Mit dieser Veranstaltung soll u.a. ein Schlaglicht auf die Entwicklung der letzten 12 Monate geworfen werden. Einen weiteren Schwerpunkt werden die aktuellen Bewegungen der Sans Papiers und deren Aktivitäten darstellen.

Zu Gast aus Paris: Mogniss Abdallah, Filmemacher, Aktivist des Mouvement de l'Immigration et des Banlieues (MIB), Mitbegründer der Agence IM'média.


Theaterkeller